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2 | Klarstellung | Heft 554-556 11. 1920 | XXII. JAHR |
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das eine Gasbombe gehört — darin unterbrechen
und darüber aufklären können, daß es vergebens sei. Diese Verteidigung war darnach angetan, die Besucher des Chapeau rouge in ihrem Vertrauen zu dem Mann ihrer Wahl zu bestärken. Aber wahrlich, kein Ehrensitz, der Ehrlosigkeit einer Gesellschaft abgerungen, die bald ihren Untergang vergessen haben wird, kein Abgeordnetenmandat wird ihm die Immunität vor dem Weltgericht sichern! Welch ein Fluch aber ist es, unter diesen Toten zu leben und unaufhörlich an diese Vergessenden erinnert zu sein! Könnten sie erwachen, so würde Schamrot zur Partei- farbe und sie wüßten, daß sie noch mehr auf dem Gewissen haben als einem Schlachtbankrotteur auf die Beine zu helfen. Denn das einzige, was sich nirgendwo in der Welt vorstellen, aber hierzulande erleben läßt, ist geschehen: daß sie eine Partei, die ihr Vaterland an eine Mörderbande verkauft hat, die Urheberin und Zutreiberin all der vernichtenden Siege, nicht zerbrochen haben, sondern ihr wieder einen dieser Siege erringen halfen, vor denen uns nichts rettet als der Tod. Daß Schwarz und Gelb sich in solidum des österreichischen Schmutzes verbanden und ein Christentum, vor dem uns Gott erhalte, Gott beschütze, mit Hilfe der jüdischen Presse einen Sieg errang, der auf der Börse mit einer stürmischen Hausse begrüßt wurde. Ich habe mich mein Lebtag geschämt, ein Österreicher zu sein, und nie mich dieser Scham geschämt, wissend, daß sie der bessere Patriotismus sei. Nun erst, da das Vaterland kleiner und die nationale Natur klarer geworden ist, erweist sich mir die tiefere Berechtigung dieses Schamgefühls. Ist es nicht die hoffnungsloseste und toteste aller Gewißheiten, unter einer Nation zu leben, die durch Schaden dümmer wird? Die von dem furchtbaren Trugschluß der Dummheit vegetiert, daß, weil es einmal besser war, bevor es schlechter wurde, nicht die Schuldigen, sondern die Verschuldeten