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30 | Glossen | Heft 595-600 7. 1922 | XXIV. JAHR |
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Von der Fruchtabtreibung
Der Einwand, daß der »Trieb zur Mutterschaft« bei der Frau
das Ausschlaggebende sei und sein müsse, hält nicht Stand. Dieser Trieb erwacht in seiner ganzen elementaren Gewalt bekanntlich erst dann, wenn das Kind geboren ist.Spricht die Reichspost, und es besteht kein Zweifel, daß der
Trieb mit den Jahren noch so zunimmt, daß er, wenn das Kind einrückend gemacht und hingeschlachtet wird, also wenn das Kind gestorben ist, sich bis zu verzweifelnder Sehnsucht steigert. Aber die Reichspost hat gegen die Fruchtabtreibung, die vom Vaterland betrieben wird und die doch eine Vernichtung im Stadium der Reife ist, wo sich die Mutter viel schwerer vom Kind trennen kann als vor der Geburt, ja die den exemplarischen Kindes- mord bedeutet, nicht das geringste einzuwenden; die Kirche, die den Eingriff selbst dort verpönt, wo er das Leben der Mutter rettet, segnet ihn, wenn die Mutter darüber weiße Haare be- kommt; und die Justiz, dieser Dienstbote aller Lügenherrschaft und Abtreiberin aller Lebensrechte, verurteilt den Arzt und spricht den General frei. Dawider vermag kein Umsturz etwas, und in Kalksburg wurde eine Gedenktafel zur Erinnerung an die im Weltkrieg gefallenen Zöglinge enthüllt, bei der der Pater Kronseder S. J. den anwesenden Müttern sagen konnte, »für den Christen gebe es keine allzu große Trauer um im Kriege gefallene Freunde«, erstens aus metaphysischen Gründen, weil »die Persönlichkeit des Menschen nicht durch einen Momentanwert dargestellt wird, sondern durch den Funk- tionswert aller seiner früheren Taten und Handlungen« — der vermutlich im Signum laudis inbegriffen war —, und zweitens »weil wir in späterer Zeit erst so recht klar sehen werden, daß Kalks- burgs Kriegsopfer nicht umsonst gefallen sind, sondern daß sie, eingegliedert in das große Drama, das sich zwischen Serajevo und Madeira abgespielt, ihre divine Mission der Erhebung unseres Volkes für ihren Teil restlos erfüllten«. Das ist wahr, und so hatte er vielleicht doch alles reiflich erwogen. Dementsprechend begann nach einem Segen die Festakademie, »die aus einem musikalischen Teil und aus einer Theateraufführung (Lustspiel »Diplomaten«) bestand. Die Vortragenden und Darsteller boten namentlich durch flottes Zusammenspiel gute Leistun- gen.« Nach der Akademie nahmen die Teilnehmer etwas ein,